Mainz hat abgestimmt. Die Linke hat kein Geheimnis aus ihrer Position gemacht – sie war gegen den Stadtratsbeschluss, um den es gestern ging. Sie ist damit auf der Siegerseite, dh auf der Seite der überwältigenden Mehrheit Mainzer Bürgerinnen und Bürger, die sich aus verschiedenen Gründen gegen den Turm ausgesprochen hat. Trotzdem sollte das Ergebnis sehr genau analysiert werden, um zu verhindern, dass es sich im Nachhinein zu einem Pyrrhus-Sieg entwickelt.
Denn auch wenn es eine schallende Ohrfeige für das bürgerferne Vorgehen von Stadtrat und Stadtspitze gab: Die Gründe der Gegner waren sehr verschieden.
Die Linke hat sich zu Recht auf das Argument der ungesicherten Finanzierung beschränkt. Es ist überzeugend – auch im Sinn des Museums, das ansonsten damit rechnen müsste, zu einer kleinen Elbphilharmonie zu werden. Aber was ist mit den weiteren Argumenten?
Kritik gab wegen ein paar Quadratmetern Platz, vier Bäumen, dem Marktfrühstück. Aber eben auch wegen der „futuristischen Bauweise“, die sich in den Gebäudebestand nicht einfüge. Gemeint war damit wohl: „sieht irgendwie modern aus“. Alles klar – der Futurismus gehört halt nicht zu Deutschland.
Wenn Gutenberg sich darum gekümmert hätte, ob sich seine Erfindungen in die vorgefundene geistige Landschaft einfügen, gäbe es heute keinen Anlass, ihm ein Museum zu bauen. Insofern ist es aus meiner Sicht nur konsequent, das Museum architektonisch so zu gestalten, dass es in möglichst deutlichem Widerspruch zum Dom steht. Dafür werden Linke wohl auch immer gerne öffentliche Gelder in die Hand nehmen Während der eine der Stein gewordene, überkommen-mittelalterliche, weltliche Herrschaftsanspruch der Kirche ist, muss das andere darauf hinweisen, dass es in der Neuzeit um die Einzelnen geht, um Demokratie, Mitspracherechte und Mitsprachemöglichkeiten. Dafür war der Druck mit beweglichen Lettern in der Qualität Gutenbergs ein Turbo-Boost. Eine entsprechende Architektur kann gar nicht futuristisch genug sein, denn von der Verwirklichung dieses Anspruchs sind wir noch Lichtjahre entfernt. Wie die gestrige Abstimmung zeigt:
Ich habe mich mit einem türkisch-kurdischen Mainzer unterhalten. Er hat 20 Jahre in der Türkei gelebt und lebt seit dreißig Jahren in Mainz. Mainz ist seine Stadt, er ist vom Bau oder Nichtbau des Bibelturmes genauso betroffen, wie alle anderen Mainzerinnen und Mainzer. Er hätte gerne mitgestimmt. Warum eigentlich nicht? Weil die rheinland-pfälzische Gemeindeordnung eine Unterscheidung zwischen EinwohnerInnen und BürgerInnen macht. Und BürgerInnen können nur Deutsche sein. Das ist antiquiert und muss weg. Alle die in der Stadt leben, müssen auch mitstimmen dürfen, wenn es um kommunale Belange geht. Aber das ist ein Thema für die Landtagswahl, das ich jetzt nur schon mal für die Linke reklamiere.
In Mainz geht es für uns Linke jetzt darum, das tiefe Misstrauen gegenüber „denen da oben“ und ihrer städteplanerischen Kompetenz nicht den Wutbürgerinnen und Wutbürgern zu überlassen, sondern konstruktiv in den demokratischen Prozess einzubinden. Die Kommunalwahlen stehen vor der Tür und das gestrige Ergebnis zeigt Chancen und Gefahren.
Widmen wir uns den Chancen!