In den Gesprächen, die ich zur Zeit zur Bundestagswahl führe, ist mir aufgefallen, dass es viele Wählerinnen und Wähler gibt, denen der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme bzw zwischen Direktkandidatur und Listenplatz nicht klar ist.
Weil ich nur als Direktkandidat antrete, kann ich nur über die Erststimme gewählt werden. Ich bin nur im Bundestag, wenn ich mehr Erststimmen bekomme als meine MitbewerberInnen. Alles oder nichts – so muss das sein.
Damit am Sonntag also keine Pannen passieren, hier nochmal ein kurzes Tutorial:
1.
Unsere Form der Demokratie läuft so, dass die Bürgerinnen und Bürger im Parlament – der Legislative – repräsentiert werden sollen. Die Repräsentation soll auf zwei Wegen sichergestellt werden: a) in dem die Bürgerinnen und Bürger einen Direktkandidaten wählen (Erststimme) und zum anderen Parteilisten gewählt werden können (Zweitstimme). Die Parteilisten bestehen aus von oben nach unten durchnummerierten Kandidaten. Sie werden für jedes Bundesland gesondert aufgestellt. Deshalb ist es möglich, dass es Parteien gibt, die nur in einem Bundesland antreten (CSU zB in Bayern) und andere, die in manchen Ländern antreten, in anderen nicht (DKP zB nicht in Rheinland-Pfalz).
Das Parlament, der Bundestag, hat grundsätzlich 598 Sitze. Die Sitze werden anteilig – bezogen auf die Bevölkerungszahl – auf die Länder verteilt. Das jeweilige Länderkontingent wird dann gemäß des Wahlergebnisses der Zweitstimmen auf die gewählten Parteien verteilt: Hat eine Partei 20% der Stimmen im Bundesland, bekommt sie auch 20% der Sitze, die dem Bundesland zustehen. Die Zweitstimmen dienen also zunächst nur der Feststellung, wieviele Sitze einer (Landes-)Partei zustehen. In Rheinland-Pfalz waren das bei der letzten Bundestagswahl 31 Sitze.
Die Sitze werden zunächst auf die direkt gewählten Abgeordneten verteilt.
a) Hat eine Partei genau so viele Direktmandate errungen, wie ihr Sitze zustehen, ist die Sache klar: Alle Sitze sind durch DirektkandidatInnen besetzt.
b) Hat die Partei weniger Direktmandate errungen, als ihr Sitze zustehen, werden die freien Sitze über die Liste verteilt: Hat eine Partei 10 Sitze, aber nur 5 Direktmandate, bekommen auch die ListenplatzinhaberInnen 1 bis 5 einen Sitz.
c) Hat die Partei mehr Direktmandate errungen, als ihr Sitze zustehen, kommt es zu Überhangmandaten. Weil die Kandidaten mit der Erststimme direkt gewählt sind, sind sie im Bundestag. Weil ihre Partei aber nicht genug Zweitstimmen errungen hat, um alle DirektkandidatInnen unterzubringen, müssen zusätzliche Sitze geschaffen werden. Deshalb kann sich die Anzahl der Sitze im Bundestag ändern. Dadurch bekommen aber Parteien mehr Sitze, als ihn gemäß Zweitstimmenergebnis zusteht. Deshalb wurden Ausgleichsmandate eingeführt, dh die Sitze der anderen Parteien anteilig aufgestockt.
2.
Zur Bestimmung des Direktkandidaten werden Wahlkreise gebildet, in denen jeweils ungefähr gleich viele WählerInnen leben. Die Wahlkreise sollen jeweils durch einen Abgeordneten repräsentiert werden.
Der/die Abgeordnete des Wahlkreises wird in direkter Einzelwahl bestimmt. Das heisst, die WählerInnen des Wahlkreises können unter mehreren BewerberInnen auswählen und eine Stimme vergeben. Es gilt hop oder top: Wer die meisten Stimmen hat, kommt in den Bundestag. Alle anderen gehen leer aus.
Es ist also nicht erforderlich, dass der/die Abgeordnete mehr als 50% der abgegebenen Stimmen erhält. Es ist sogar der Regelfall, dass diese (auch absolut genannte) Mehrheit verfehlt wird, weil ja nicht nur zwei, sondern mehr BewerberInnen antreten.
Ich bin also auch dann
3.
Wer mehr Mainz im Bundestag will, sollte unabhängig von der politischen Ausrichtung auf jeden Fall mich wählen: Meine MitbewerberInnen um das Direktmandat haben Listenplätze. Wenn ihre jeweilige Partei in Rheinland-Pfalz gut abschneidet, sind sie sowieso im Parlament. Bei mir ist das anders: Selbst wenn die Linke in Rheinland-Pfalz ein fulminantes Ergebnis erzielt, bin ich nur dann im Bundestag, wenn ich den Wahlkreis gewinne, weil ich nicht auf der Liste bin.
Also: Erststimme ist Malcherekstimme!
2 Kommentare
Das haben Sie wunderbar erklärt. Muss man sich dessen aber immer wieder bewußt sein. So oft wird schließlich nicht der Bundestag gewählt. Vielleicht in Zukunft sogar noch weniger.
Und warum sind Sie nicht auf der Liste?