Ausgeglichener Kommunalhaushalt – ein Begriff aus der Märchenwelt

Etwas über 600 Millionen Euro sind der Stadt Mainz durch die Gewerbesteuersenkung ab dem Jahr 2022 entgangen.

Dass die Stadt trotzdem auch 2024 mit einem ausgeglichenen Haushalt rechnen kann, liegt nun vor allem an Gewerbesteuer-Nachzahlungen, die (Achtung:) unerwartet kamen. Und das sagt bereits alles.

Ein ausgeglichener kommunaler Haushalt ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme und wird mit Worten wie Wunder und Geldregen beschrieben – Begriffe aus der Märchenwelt.

Zu viele Pflichten, zu wenig Geld

Nach messbaren Kriterien sind ausgeglichene Kommunalhaushalte nicht erwartbar und das hat zwei Gründe: Die Kommunen sind durch Bundes- und Landesgesetze zu Ausgaben verpflichtet, die nicht ausreichend gegenfinanziert werden (Pflichtausgaben) und sie haben zu wenig Einnahmen, um die sogenannten freiwilligen Leistungen zu erbringen.

Zu denen zählt vor allem dasjenige, weshalb man eine Stadt lebenswert empfindet (oder gerne dorthin fährt): Museen, Kulturangebote, Sportmöglichkeiten wie Schwimmbäder, Plätze und Parks, gut ausgestattete Schulen. Mainz ist – bei allem Lokalpatriotismus – eher mau aufgestellt.

Wichtige Projekte wie die Großsporthalle werden scheibchenweise abgespeckt, ob das Gebäude des Landessportbundes gekauft wird, steht in den Sternen, die Kulturbäckerei ist angezählt.

Freiwillige Leistungen sind kein Luxus

Freiwillige Leistungen sind kein Luxus, sondern notwendig. Wenn das Leben so wahrgenommen wird, dass es sich zunehmend auf Essen, Schlafen und Arbeiten reduziert, steigt die Unzufriedenheit. Fehlt den Städten das Geld, unterhöhlt das die Grundlage unserer Verfassung.

Übrigens auch anderer Richtung: Stadtratsmitglieder sind dazu berufen, über kommunale Belange zu entscheiden. Die Palette reduziert sich aber zunehmend: Finanzielle Sachzwänge dienen zur Begründung angeblich alternativloser Entscheidungen.

Der Finanzdezernent erklärt, dass es nicht anders geht, weil die Aufsichtsbehörde das so will. Der Stadtrat nickt ab. Demokratische Mitbestimmung sieht anders aus.

Kulturbereich wird zur Cash Cow

Natürlich wird nicht nur gefordert, Ausgaben zu senken, auch die Einwohner sollen zur Kasse gebeten werden: Der Stadtrat hat gerade die Neustrukturierung der Eintritte für Naturwissenschaftliches und Gutenberg-Museum beschlossen und will so den Kulturbereich zur Cash Cow machen, der jährlich 400.000 Euro mehr abgemolken werden sollen.

Eintrittspreise steigen – Bürger zahlen die Zeche

Für Erwachsene summiert sich der Eintrittspreis von 5 auf zusammen 10 Euro, weil es beide Museen nur noch im Doppelpack gibt. Aber ob ein Erwachsener mit zwei Kindern (früher 11, jetzt 18 Euro) tatsächlich nach Seekuh und Deinotherium noch die Muße hat, Druckmaschinen und Bücher zu bestaunen, darf hinterfragt werden.

Absurde und ungerechte Maßnahmen

Solche Maßnahmen sind ungerecht. Sie treffen Menschen, die wenig Geld, aber das Bedürfnis haben, ein Museum zu besuchen. Sie sind aber auch absurd, weil das strukturelle Defizit kommunaler Haushalte so nicht gestopft werden kann.

Dazu ist vor allem eines notwendig: Mehr Geld von Bund und Land. Weil Geld aber nicht beliebig vermehrt werden sollte, muss man die Ausgabenseite öffentlicher Haushalte reduzieren und die Einnahmenseite steigern.

Rüstung runter, Vermögenssteuer hoch

Mein Vorschlag wäre, Rüstungsausgaben zu senken und die Vermögenssteuer wieder einzuführen. Sonst kommt Mainz in absehbarer Zeit nicht mehr auf die Beine.

Artikel erschien auch im Sensor Magazin in meiner Kolumne MalcherRECHT