In Zeiten, in denen Politiker verantwortungslos über die europäische Atombombe schwadronieren, bin ich froh, mich auf das Thema Mieten in Mainz beschränken zu können. Denn während die Atombombe noch kein Problem gelöst hätte, gibt es Instrumente, mit denen die Politik den Mietenanstieg bei uns wirksam bekämpfen könnte.
Mainzer Wohnungsmarkt: Kaum Chancen für Familien mit mittlerem Einkommen
Die Ausgangslage ist dennoch verheerend: In Mainz steigen die Mieten seit Jahrzehnten. Wohnraum, der für niedrige und mittlere Einkommen bezahlbar wäre, ist Mangelware und oft nur durch glückliche Umstände oder persönliche Kontakte verfügbar. Sucht eine vierköpfige Familie eine Wohnung – angemessen sind 85 bis 90 Quadratmeter –, muss sie nach dem Mietspiegel von 2023 im Schnitt mit Mietpreisen von 11,03 €/qm rechnen. Dass sie damit nicht hinkommt, zeigt der Blick zu Immoscout. Einige wenige Wohnungen werden unter 15 €/qm angeboten, die Mehrzahl aber darüber. Im Vergleich zu 2021 haben sich die Mietpreise um mehr als 18 Prozent nach oben geschraubt. Besonders fatal wirkt sich das auf Familien aus, denn wer Nachwuchs bekommt, braucht meist mehr Platz.
Was Wien besser macht: Kommunale Verantwortung statt Marktgläubigkeit
Ich habe mich neulich mit einem Bekannten aus der Immobilienwirtschaft unterhalten: Der Sprössling will ins Ausland zum Studieren, nach Wien. Wieso Wien? „Es sollte eine europäische Metropole sein. Und dort ist Wohnen noch bezahlbar – das Wiener Modell.“ Das Wiener Modell bedeutet, dass die Kommune ihre Wohnungen nicht in neoliberaler Umnachtung verkauft hat. Die Mieten in den kommunalen Wohnungen sind gedeckelt, und Zugang zu geförderten Wohnungen haben nicht nur die Ärmsten, sondern auch der Mittelstand. Kommunale Wohnungen gibt es in den Innenstadtlagen ebenso wie in den Außenbezirken. Der Schlüssel dazu ist eine Politik der „Bodenbevorratung“. Wäre das nicht etwas für Mainz?
Mainz braucht eine neue Bodenpolitik – nicht nur Lippenbekenntnisse
„Wir sind hier nicht in Wien“, hat der wohnungspolitische Sprecher der Grünen, Daniel Köbler, im Stadtrat verlautbart. Dabei bräuchten wir gerade in Mainz aktive Bodenbevorratung. Und mehr: Einmal angeschaffter Grundbesitz darf nicht wieder abgegeben werden. Nur so kann kontrolliert werden, welche Mieten verlangt werden. Wenn da ein anderer (ebenfalls grüner) Ortsvorsteher mitteilt, man könne die Mietpreisentwicklung dem Markt überlassen, denn es stiegen ja nicht nur die Mieten, sondern auch die Gehälter, ist das doppelt falsch.
Zum einen steigen die Gehälter jedenfalls nicht in dem Maß wie die Mieten. Zum anderen verkennt er, dass Grund und Boden nicht marktförmig sind. Waren kann man in beliebiger Stückzahl produzieren – die Stadt Mainz kann ihre Fläche aber nicht vergrößern. Boden ist endlich, erst recht innerhalb des Gemeindegebietes. (Diesen Punkt hat immerhin der OB zutreffend erkannt.) Deshalb brauchen wir klare Vorstellungen und eine konsequente politische Steuerung.
Fazit: Lieber Wohnraum als Atomfantasien
Als sich 1958 Massenproteste gegen die Pläne einer atomaren Bewaffnung der Bundesrepublik formierten, war eine Forderung der Straße: „Statt Atombomben gebt uns Wohnraum“. Statt über Atomwaffen sollten wir also lieber über Wien reden. Auch in Mainz.
Artikel erschien auch im Sensor Magazin in meiner Kolumne MalcherRECHT
