Bürgerbeteiligung in Mainz: Wie die Verwaltung kreative Ideen ausbremst

Beteiligung auf dem Papier – Widerstand in der Praxis

Meenzer Machenschaften. Bürgerbeteiligung ist in Mainz so eine Sache. Die Gemeindeordnung hat sie ursprünglich eher sparsam vorgesehen. Dass Einwohner mehr zu sagen haben sollten, als am Wahltag ihr Kreuzchen zu machen, hat der Gesetzgeber erst später verstanden. Das erkennt man daran, dass die entsprechenden Paragrafen der GemO erst später eingefügt wurden, zum Beispiel §16c GemO (Beteiligung von Kindern und Jugendlichen) oder §17a (Bürgerbegehren und Bürgerentscheid).

Auch heute noch tut sich die Verwaltung schwer damit, wenn Bürger von ihren gesetzlich vorgesehenen Rechten Gebrauch machen oder sich außerhalb eines formellen Verfahrens einmischen: „Geht nicht“, ist eine der netteren Antworten an engagierte Bürger.

Mombacher Straße: Bäume fallen, Bürgerideen ignoriert?

Ein Beispiel: Mainz, Mombacher Straße. Die Verwaltung hat einen Plan vorgelegt, der die Fällung zahlreicher Bäume vorsieht. Anwohner sprachen sich dagegen aus und präsentierten eine Alternativplanung, um den Baumbestand zu erhalten. Die Reaktion der Verwaltung? „Geht nicht.“ Doch die Initiative bleibt dran und hat eigene Vorstellungen nachgelegt.

Eingaben an die Verwaltung sind Petitionen – ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht. Es umfasst nicht nur das Einreichen eigener Vorschläge, sondern auch, dass diese zur Kenntnis genommen und angemessen geprüft werden. Von einer modernen Verwaltung wäre zu erwarten, dass sie selbst fortgeschrittene Planungen auf den Prüfstand stellt. Der Fall Mombacher Straße wird zeigen, wie ernst Mainz es mit Bürgerbeteiligung meint.

Zollhafen: Stadt verkauft mit, Bürger schauen zu

Beim Verkauf kommunalen Eigentums, dem sprichwörtlichen Tafelsilber, ist die Stadt Mainz ebenfalls weit fortgeschritten – etwa im Zollhafen. Ursprünglich als Rheinufernutzung für alle gedacht, wird das Areal inzwischen mit teurem Wohn- und Büroraum bebaut. Wer den Rhein genießen will, muss zahlen. So sieht die Privatisierung städtischer Flächen aus.

Heilige Makrele: Ein Schwimmbad gegen alle Widerstände

Doch es regt sich Widerstand: Ein Bürger hat die Idee eines öffentlichen Schwimmbads im nördlichen Hafenbecken entwickelt – die „Heilige Makrele“. Ohne Zutun der Verwaltung, aber mit viel Zuspruch aus der Bevölkerung, entstand ein detaillierter Plan inklusive Businessplan und Gutachten. Alles privat finanziert.

Der damalige Oberbürgermeister Ebling winkte ab: „Geht nicht“ – mit Verweis auf rechtliche Bedenken. Außerdem könne die Marina im südlichen Hafenbecken – ebenfalls von einer privatisierten Gesellschaft betrieben – sonst nicht mehr wachsen. Also beschloss die Verwaltung, vorerst nichts zu tun.

Vielversprechende Idee trifft auf politische Zurückhaltung

Nach dem OB-Wechsel wird immerhin über eine Machbarkeitsstudie zu alternativen Schwimmbadstandorten diskutiert – „von Laubenheim bis Mombach“. Das ändert aber nichts daran, dass die Heilige Makrele ernsthaft geprüft werden muss – und zwar jetzt. Es gibt bislang keine stichhaltigen Gründe, warum das Schwimmbadprojekt unmöglich sein sollte.

Mainz-Neustadt braucht dringend Erholungs- und Freizeitflächen. Ein Standort am Stadtrand bringt wenig. Und selbst wenn andere geeignete Rheinstandorte existieren – wo wäre das Problem? Wenn die Verwaltung jedoch wartet, bis die Wohnbebauung im Zollhafen abgeschlossen ist, wird das Projekt tatsächlich unmöglich. Zufall?

Fazit: Mainz braucht mehr Mut zur Mitbestimmung

Dass die Verwaltung erst unter dem öffentlichen Druck durch die Heilige Makrele eine Machbarkeitsstudie ins Spiel bringt, spricht Bände. Dass sich zukünftige Anwohner in Häusern, die noch nicht einmal gebaut sind, über potenziellen Freizeitlärm und Bluetoothboxen im Schwimmbad beschweren könnten – das ist Zukunftsmusik. Aber typisch für ein System, das Ideen lieber blockiert als befördert.

Artikel erschien auch im Sensor Magazin in meiner Kolumne MalcherRECHT